Der Bundesgerichtshof hat am 12.10.2011 (IV ZR 199/10) ein für die gesamte Versicherungsbranche ausgesprochen bedeutsames Urteil gesprochen.
In beinahe allen Versicherungsverträgen sind für die Versicherungsnehmer Obliegenheiten festgeschrieben. Es handelt sich hierbei um bestimmte Verhaltensweisen, die der Versicherungsnehmer vor oder nach dem Versicherungsfall an den Tag legen muss. Die Verletzung derartiger Obliegenheiten führt nach den Versicherungsbedingungen regelmäßig zum zumindest teilweisen Verlust des Leistungsanspruches.
Unter der Geltung des alten Versicherungsvertragsgesetzes sahen die Versicherungsbedingungen regelmäßig vor, dass die Leistung im Falle einer Verletzung der Obliegenheiten vollständig entfällt. Die Rechtsfolgen einer Obliegenheitsverletzung waren an § 6 VVG a.F. angepasst worden.
Mit dem Jahr 2008 trat ein neues Versicherungsvertragsgesetz in Kraft, das im Bereich der Obliegenheitsverletzungen für Versicherungsnehmer deutlich günstigere Regelungen vorsieht.
Da der Gesetzgeber den Widerspruch zwischen alten Versicherungsbedingungen bei bestehenden Verträgen und dem neuen Versicherungsvertragsgesetz durchaus gesehen hatte, wurde den Versicherern gemäß Art. 1 Abs. 3 EGVVG die Möglichkeit gegeben, ihre Bedingungen innerhalb gewisser Zeiträume an das neue Recht anzupassen. Von dieser Möglichkeit haben nur wenige Versicherer jedoch Gebrauch gemacht.
Zu beurteilen war nunmehr die Frage, ob die alten Versicherungsbedingungen im Bereich der Obliegenheiten weiterhin Gültigkeit haben, auch wenn diese nicht an das neue Versicherungsvertragsgesetz angepasst wurden.
Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass die Versicherungsbedingungen als Allgemeine Geschäftsbedingungen unwirksam sind, da sie gegen die Regelungen des aktuellen Versicherungsvertragsgesetzgesetzes verstoßen.
Dies hat zur Folge, dass die Obliegenheitsverletzung eines Versicherungsnehmers bei Versicherungsverträgen, die schon vor dem Jahr 2008 abgeschlossen wurden keine Auswirkungen hat, sofern das Versicherungsunternehmen die Bedingungen nicht umgestellt hat.
Diese Entscheidung ist für die Versicherungswirtschaft von größter Bedeutung, da die Leistungsablehnung wegen der Verletzung von Obliegenheiten einen täglich anzutreffenden Fall darstellt. Da die Versicherungsunternehmen nunmehr keine Möglichkeit mehr haben, ihre Versicherungsbedingungen umzustellen, müssen sie weiterhin damit leben, volle Leistung auch bei der Verletzung von Obliegenheiten erbringen zu müssen.
Die Geltung der Versicherungsbedingungen sollte aus diesem Grunde bei jedem einzelnen Versicherungsfall ausführlich überprüft werden.
Fast schon in Vergessenheit geraten, aber immer noch aktuell: Keine Leistungskürzungen bei Obliegenheitsverletzungen
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