OLG Hamm verneint nach corona-bedingter Schließung eines Betriebes einen Anspruch auf Versicherungsleistungen aus einer Betriebsschließungsversicherung

Aug 11, 2020 | Versicherungsrecht

In einer aktuellen Entscheidung hat das OLG Hamm Deckungsschutz aus einer Betriebsschließungsversicherung nach einer Betriebsschließung wegen des Corona-Virus verneint, weil die Aufzählungen der versicherten Krankheiten und Krankheitserreger in den dortigen Versicherungsbedingungen abschließend seien und sich weder COVID-19 noch SARS-Cov-2 darunter befunden hatte:

Das Oberlandesgericht Hamm hat mit seiner aktuellen Entscheidung vom 15.07.2020 (Az  20 W 21/20) die sofortige Beschwerde eines Versicherten zurückgewiesen, nachdem bereits das Landgericht einen entsprechenden Antrag auf Erlass einer einstweilige Verfügung auf Gewährung von Versicherungsleistungen aus einer Betriebsschließungsversicherung zurückgewiesen hatte.

Streitig war insbesondere, ob die aktuell im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie angeordneten Betriebsschließungen im konkreten Fall vom Versicherungsschutz erfasst waren.  In den streitgegenständlichen Versicherungsbedingungen fand sich nämlich eine Aufzählung an „versicherten“ Krankheiten und Krankheitserregern. Der Wortlaut „nur die im folgenden aufgeführten (vgl. §§ 6 und 7 IfSG)“ und die anschließende ausführliche Auflistung einer Vielzahl von Krankheiten und Erregern soll dem – für die Auslegung maßgeblichen – durchschnittlichen Versicherungsnehmer nach Ansicht des Senats hinreichend deutlich machen, dass der Versicherer nur für die dort benannten,  einschätzbaren Risiken einstehen wolle. Der Hinweis „vgl.  §§ 6 und 7 IfSG“ könne von einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer nicht dahin verstanden werden, dass der Versicherer auch für eine spätere Erweiterung des Gesetzes Versicherungsschutz gewähren würde.

Aus den Entscheidungsgründen:

Zu Recht und mit zutreffenden Gründen hat das Landgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.

Auf den angefochtenen Beschluss (GA 13 ff.) wird Bezug genommen. Die Einwände der Beschwerde (GA 18 ff.), auf die ebenfalls Bezug genommen wird, greifen nicht durch.

1. Der geltend gemachte Anspruch auf Leistungen aus der Betriebsschließungsversicherung besteht nicht.

Die Aufzählung der „versicherten“ Krankheiten und Krankheitserreger in Teil B Nr. 8.2.2 der vereinbarten Bedingungen (GA 3 = S. 3 der Antragsschrift) ist abschließend. Der Wortlaut „nur die im Folgenden aufgeführten (vgl. §§ 6 und 7 IfSG)“ und die anschließende ausführliche Auflistung einer Vielzahl von Krankheiten und Erregern macht dem – für die Auslegung maßgeblichen – durchschnittlichen Versicherungsnehmer deutlich, dass der Versicherer nur für die benannten, vom Versicherer einschätzbaren Risiken einstehen will. Der Hinweis „vgl. §§ 6 und 7 IfSG“ kann vor diesem Hintergrund nicht dahin verstanden werden, dass der Versicherer auch für eine spätere – hier nach Auffassung der Antragstellerin erfolgte – Erweiterung des Gesetzes Versicherungsschutz gewähren würde. Dass der Versicherungsnehmer an einem umfassenden Versicherungsschutz interessiert ist, ist – selbstverständlich – richtig, vermag aber an dieser Auslegung nichts zu ändern.

2. Zudem hat – unabhängig davon – das Landgericht zu Recht auch einen Verfügungsgrund verneint. Unter Berücksichtigung aller Umstände wäre – auf der Grundlage des Vortrags der Antragstellerin – eine Vorwegnahme der Hauptsache hier nicht gerechtfertigt.

Dennoch ist die  Entscheidung keineswegs gleichbedeutend damit, dass generell keine Ansprüche aus einer Betriebsschließungsversicherung aus Anlass einer Corona-bedingten Schließungsanordnung bestehen können. Abgesehen von der vorgenannten Auslegung der Versicherungsbedingungen enthält der Beschluss keine gesonderte Auseinandersetzung mit den im Übrigen, sich regelmäßig in diesen Fällen stellenden, weiteren Rechtsproblemen.

Die Entscheidung zeigt vielmehr, dass es in jedem Einzelfall maßgeblich auf die konkret vereinbarten Versicherungsbedingungen ankommt. Auch wenn einige Verträge/Bedingungen – wie im Fall des OLG Hamm – eine abschließende Aufzählung an Krankheiten und Krankheitserregern beinhaltet, stellen andere Bedingungen hingegegen etwa auf den jeweils aktuellen Stand des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) ab, sodass die Rechtslage in diesen Fällen möglicherweise anders zu beurteilen ist. Exemplarisch kann insoweit auf die Entscheidung des Landgerichts Mannheim vom 29. April 2020, 11 O 66/20, mit der das Gericht jedenfalls für die dort vereinbarten Versicherungsbedingungen einen Anspruch auf Versicherungsleistungen bejaht hatte, verwiesen werden

Auch nach der Entscheidung des OLG Hamm lässt sich die Frage nach dem Versicherungsschutz mithin nicht pauschal verneinen; entscheidend sind stets die individuellen Vereinbarungen, die bei jeder Gesellschaft unterschiedlich sein können.

Wichtig ist hierbei zu verstehen, dass es sich hierbei nur um eine Entscheidung bezüglich der diesem Verfahren zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen handelt. Eine gerichtliche Entscheidung könnte bei anderen Versicherungsbedingungen wiederum ganz anders ausfallen. Auch könnte ein anderes OLG wieder ganz anders entscheiden. Solange keine höchstrichterliche Entscheidung vorliegt, sind die Instanz-Gerichte nicht an eine Entscheidung gebunden.

Spannend wird den Entscheidungen in München entgegen gesehen. Hier müssen derzeit 39 anhängige Klagen von Gewerbetreibenden gegen ihren Versicherer verhandelt werden. Alle Verfahren haben eines gemein: Die Gewerbetreibenden hatten jeweils einen Schutz gegen Betriebsschließungen abgeschlossen und ihr Versicherer verweigert ihnen nun die Leistung.

Am Freitag (31.07. 2020) hat die auf Versicherungsrecht spezialisierte 12. Zivilkammer des Landgerichts München I die ersten vier Verfahren von Gaststätten und einer Kindertagesstätte gegen ihre Betriebsschließungsversicherungen mündlich verhandelt (Az. 12 O 7241/20, 12 O 7208/20, 12 O 5868/20 und 12 O 5895/20). Vor dem Gericht ist nun die Grundsatzfrage zu klären, wann und unter welchen Voraussetzungen die Assekuranzen für Schäden der Corona-bedingten Betriebsschließungen leisten müssen.

Aus diesem Grunde können Versicherte natürlich weiter hoffen und ihre Ansprüche verfolgen. Hierfür steht die Kanzlei van Velzen gern zur Verfügung.

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