Wie lange darf sich eine Versicherung bei einem Leistungsantrag Zeit lassen?

Aug 31, 2020 | Versicherungsrecht

Bei einer Personenversicherung darf eine Versicherung bei einem Leistungsantrag des Versicherungsnehmers umfassende Prüfungen vornehmen und Auskünfte fordern.

Regelmäßig will die Versicherung im Zuge dieser Leistungsprüfung mit abklären, ob der Versicherungsnehmer vielleicht falsche Angaben im Antrag gemacht oder sich bestehende Risiken erhöht haben, ohne dass dies offengelegt worden wäre. Solange diese Prüfung nicht abgeschlossen ist, sind Leistungen nach § 14 VVG noch nicht fällig. Solche Prüfungen können sich, sehr zum Ärger des Versicherungsnehmers, hinziehen und schon beinahe als schikanös empfunden werden.

Das Oberlandesgericht Dresden hat in einem Urteil vom 28.01.2020, Az.: 4 U 1656/19, ausgeführt, unter welchen Voraussetzungen die Versicherung solche Erhebungen verschuldet verzögert hat. Dabei hat das Gericht die Hürden für den Versicherungsnehmer hoch gesetzt. Der bloße Zeitablauf als solcher begründet nach dem OLG noch keine schuldhafte Verzögerung durch die Versicherung. Vielmehr muss eine Pflichtwidrigkeit hinzukommen, die der Versicherungsnehmer auch noch im Prozess zu beweisen hat.

Das Gericht führt hierzu Folgendes aus:

Gemäß § 14 Abs. 1 VVG sind Geldleistungen fällig mit der Beendigung der zur Feststellung des Versicherungsfalles und des Umfangs der Leistungen des Versicherers notwendigen Erhebungen. Die notwendigen Erhebungen im Sinne des § 14 Abs. 1 VVG sind jedoch durch die Beklagte nicht abgeschlossen. a) Zu den notwendigen Erhebungen zählt zunächst die Beschaffung derjenigen Unterlagen, die ein durchschnittlicher sorgfältiger Versicherer des entsprechenden Versicherungszweigs benötigt, um den Versicherungsfall und den Umfang der von ihm zu erbringenden Leistungen zu prüfen und abschließend festzustellen (vgl. OLG Saarbrücken, Beschluss vom 27. August 2019, Az.: 5 W 46/19 – juris; Prölss/Martin, a.a.O., § 14 Rz. 8). Im Zusammenhang mit der Prüfung des Versicherers hat der Versicherungsnehmer jedoch seinerseits Mitwirkungsobliegenheiten, die in den Versicherungsbedingungen vereinbart sein können oder sich im Übrigen aus dem Gesetz (§ 31 Abs. 1 VVG) ergeben. Gemäß § 31 Abs. 1 VVG kann der Versicherer nach dem Eintritt des Versicherungsfalles verlangen, dass der Versicherungsnehmer jede Auskunft erteilt, die zur Feststellung des Versicherungsfalles oder des Umfangs der Leistungspflicht des Versicherers erforderlich ist (Satz 1), und dass ihm insoweit Belege vorgelegt werden, als deren Beschaffung dem Versicherungsnehmer billigerweise zugemutet werden kann (Satz 2). Die nach dem Gesetz zwar sanktionslose, für den Versicherungsnehmer dennoch verbindliche Obliegenheit nach § 31 Abs. 1 VVG setzt ein Verlangen des Versicherers voraus. Danach muss der Versicherungsnehmer dem Versicherer, der sich ein klares Bild von seiner Leistungspflicht machen will, erst auf entsprechende Aufforderung hin weitere Kenntnisse verschaffen und Beweise erbringen (vgl. BGH, Urteil vom 22. Februar 2017, Az.: IV ZR 289/14 – juris). In diesem Rahmen kommt dem Versicherer grundsätzlich ein erheblicher Beurteilungsspielraum zu, welche Angaben er zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält, um seine Entscheidung über die Leistungspflicht auf ausreichender und gesicherter Tatsachengrundlage treffen zu können. Insbesondere kommt es nicht darauf an, ob sich die geforderten Angaben nach dem Ergebnis der Prüfung tatsächlich als wesentlich erweisen, da die Frage der Erforderlichkeit ex ante zu beurteilen ist (vgl. BGH, a.a.O.). Dabei hat der BGH in der vorgenannten Entscheidung den Ausgleich der insoweit widerstreitenden Interessen – einerseits das Interesse des Versicherers bzw. der Gemeinschaft der Versicherten zur Vermeidung ungerechtfertigter Versicherungsleistungen alle Tatsachen zu erfahren, die unmittelbar oder auch erst nach der Ausübung von Gestaltungsrechten zu seiner Leistungsfreiheit führen können und andererseits das Interesse des Versicherungsnehmers, dass keine Daten erhoben werden, die dem Versicherer über das erforderliche Maß hinaus in weitem Umfang sensible Informationen über den Versicherungsnehmer gewähren – dadurch hergestellt, dass der Versicherungsnehmer bei der Erhebung von Daten durch den Versicherer grundsätzlich nur insoweit mitzuwirken hat, als diese zur Prüfung des Leistungsfalles relevant sind. Kann der Umfang der Datenerhebung nicht vornherein auf entsprechende Informationen beschränkt werden, weil dem Versicherer noch unbekannt ist, worauf er sein Augenmerk zu richten hat, so erstreckt sich die Obliegenheit des Versicherungsnehmers zunächst auf die Einholung solcher weniger weitreichender und persönlichkeitsrelevanter Vorinformationen, die dem Versicherer eine Konkretisierung ermöglichen, welche Informationen im Weiteren tatsächlich für die Leistungsprüfung von Bedeutung sind. Ist es dem Versicherungsnehmer allerdings unmöglich oder unzumutbar, die verlangten Informationen zu beschaffen, so sind die Erhebungen des Versicherers als beendet anzusehen (vgl. Prölss/Martin, a.a.O., § 14 Rz. 19). Zudem ist zu berücksichtigen, dass nicht der vom Versicherer tatsächlich benötigte Zeitaufwand zugrunde zulegen ist, sondern derjenige, der nach den Umständen objektiv geboten ist. Stellt der Versicherer entgegen der ihm obliegenden Beschleunigungspflicht keine oder lediglich unnütze oder nicht sachdienliche Erhebungen an oder zieht er die Erhebung ohne Grund in die Länge, so ist für die Fälligkeit der Zeitpunkt maßgebend, an dem die Erhebungen bei korrektem Vorgehen beendet gewesen wären, wobei allerdings dem Versicherer insoweit eine schuldhafte Pflichtverletzung anzulasten sein muss, die vom Versicherungsnehmer zu beweisen ist (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 23. Februar 2015, Az.: 20 U 25/15; OLG Saarbrücken, a.a.O.).

Kann die Versicherung also die Forderung nach weiteren Unterlagen oder Auskünften nur einigermaßen gut begründen, liegt keine Pflichtwidrigkeit vor. Der Versicherungsnehmer muss sich dann weiter gedulden, bis die Erhebungen aus Sicht der Versicherung abgeschlossen sind und eine Erklärung der Versicherung zum Leistungsantrag vorliegt.

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