Arbeitsrecht: Die Corona Virus Kündigung

Apr 2, 2020 | Arbeitsrecht

Der wohl wichtigste Kündigungsgrund dürfte im Fall Corona Virus die betriebsbedingte Kündigung darstellen.

Vorweg gilt es festzuhalten, dass der Begriff „coronabedingte“ Kündigung keine rechtliche Bedeutung hat. Auch im Falle von Corona greift das Kündigungsschutzgesetz, wenn im Betrieb mehr als zehn Vollzeitkräfte (Auszubildende und Geschäftsführer werden nicht mitgezählt) arbeiten. Insbesondere und soweit das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) Anwendung findet, gelten daher die gesetzlichen Bestimmungen unverändert fort. Gemäß § 1 Abs. 1 und 2 KSchG muss eine Kündigung sozial gerechtfertigt sein. Dies ist der Fall, solange ein Kündigungsgrund vorliegt. Entsprechend des § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG ist eine Kündigung u.a. gerechtfertigt […], wenn Gründe gegeben sind, die in der Person oder im Verhalten des Arbeitnehmers liegen oder dringende betriebliche Erfordernisse dies erfordern.

Dementsprechend erfordert der Ausspruch einer Kündigung einen personenbedingten, verhaltensbedingten oder betriebsbedingten Kündigungsgrund.

1. Die personenbedingte Kündigung

Eine arbeitgeberseitige Kündigung kann zunächst auf einen Grund, der in der Person des Arbeitnehmers liegt, gestützt werden. Der wohl häufigste – und auch im Hinblick auf den Corona-Virus naheliegende  – Unterfall der personenbedingten Kündigung, ist der Ausspruch einer krankheitsbedingten Kündigung.

Ob ein Arbeitgeber den Ausspruch einer krankheitsbedingten Kündigung auf die Erkrankung eines Mitarbeiters an dem Corona-Virus stützen kann, ist unwahrscheinlich.

Eine krankheitsbedingte Kündigung ist dreistufig aufgebaut und setzt die nachfolgende Voraussetzungen:

  1. Negative Gesundheitsprognose des erkrankten Mitarbeiters,
  2. Erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen,
  3. Verhältnismäßigkeit der Kündigung.

Vorliegend dürfte eine krankheitsbedingte Kündigung bereits an der ersten Stufe, der negativen Gesundheitsprognose aufgrund einer coronabedingten Erkrankung eines Mitarbeiters scheitern. Die bloße Erkrankung an dem Corona-Virus genügt in der Regel nicht um einen permanenten Ausfall des erkrankten Mitarbeiters zu vermuten, weshalb eine krankheitsbedingte Kündigung voraussichtlich unwirksam wäre.

Des Weiteren dürften auch die weiteren Voraussetzungen nicht erfüllt sein:

Sollte ein Mitarbeiter infolge des Corona-Virus arbeitsunfähig erkrankt sein, so geht dies mit der (behördlichen) Anordnung einer Quarantäne gemäß § 30 IfSG oder eines Beschäftigungsverbotes gemäß § 31 IfSG einher. In diesem Fall steht dem Arbeitnehmer gemäß § 56 IfSG ein Entschädigungsanspruch gegen die Behörde zu. Der Arbeitgeber ist zunächst vorleistungspflichtig, kann jedoch anschließend eine Erstattung des gezahlten Gehaltes von der Behörde fordern, sodass er weitgehend schadlos bleibt. Daher dürfte es an einer Beeinträchtigung des Unternehmens mangeln. Letztendlich dürfte der Ausspruch der Kündigung auch unverhältnismäßig sein, da der Arbeitgeber verpflichtet ist mildere Maßnahmen als den Ausspruch einer Kündigung einzuleiten; insoweit gilt auch hier, dass der Ausspruch einer Kündigung die Ultima Ratio ist.

Sowohl als Arbeitgeber und als Arbeitnehmer sollten Sie berücksichtigen, dass vor dem Ausspruch einer krankheitsbedingten Kündigung ein betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM) gemäß § 167 Abs. 2 SGB IX durchgeführt werden muss. Der Arbeitgeber ist zur Durchführung verpflichtet; dem Arbeitnehmer steht zugleich auch ein Rechtsanspruch auf die Durchführung des bEM zu.

Sollte ein bEM durchgeführt werden, ist es wichtig, die datenschutzrechtlichen Aspekte zu berücksichtigen. Im Rahmen eines bEM werden sensible Gesundheitsdaten (Art. 9 Abs. 1 DS-GVO i.V.m. § 26 Abs. 3 BDSG) des Mitarbeiters verarbeitet. Dies darf u.a. nur auf Grundlage einer wirksam erteilten Einwilligung des Mitarbeiters erfolgen. Es gilt zu beachten, dass der Ausspruch einer krankheitsbedingten Kündigung u.a. auch von der (datenschutzrechtlich) wirksamen Durchführung eines bEM abhängig sein kann.

2. Die verhaltensbedingte Kündigung

Eine verhaltensbedingte Kündigung setzt ein Fehlverhalten bzw. einen Pflichtverstoß des Arbeitnehmers voraus.

Im Hinblick auf den Corona-Virus stellt sich insb. die Frage, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen ein Arbeitnehmer die Erbringung seiner Arbeitsleistung gemäß § 275 Abs. 3 BGB verweigern darf. Gemäß § 275 Abs. 3 BGB kann ein Arbeitnehmer die Erbringung seiner Arbeitsleistung verweigern, soweit ihm dies unzumutbar wäre. Hiernach gilt es zu differenzieren:

Sollten in dem Betrieb eines Arbeitgebers tatsächliche Anhaltpunkte einer erhöhten Infektionsgefahr bestehen, so wird es dem Arbeitnehmer in der Regel nicht zuzumuten sein, die Betriebsstätte aufzusuchen. Diesbezüglich gilt es auch zu berücksichtigen, dass der Arbeitgeber gemäß §§ 618, 241 Abs. 2 BGB verpflichtet ist, hinreichende Schutzmaßnahmen zu treffen, um das Risiko einer gesundheitlichen Schädigung seiner Mitarbeiter zu minimieren. Insoweit besteht die Verpflichtung, soweit dies möglich ist, entweder Home-Office für die Mitarbeiter zu ermöglichen, oder erforderlichenfalls Teile der Belegschaft freizustellen. Sollte jedoch lediglich die abstrakte Befürchtung bestehen, man könnte sich auf dem Weg zur Arbeit oder bei der Arbeit anstecken, besteht kein Zurückbehaltungsrecht.

3. Die betriebsbedingte Kündigung

Der wohl wichtigste Kündigungsgrund dürfte im Fall Corona Virus die betriebsbedingte Kündigung darstellen.

Arbeitgeber werden in der aktuellen Situation vermehrt betriebsbedingte Kündigungen aussprechen und diese mit Umsatzrückgang und Auftragsmangel begründen. Allerdings darf die ausgesprochene Kündigung nur das letzte Mittel sein. Eine Kündigung ist nicht unvermeidbar, wenn mildere Mittel zur Verfügung stehen. In vielen Fällen wäre beispielsweise die Einführung von Kurzarbeit und der Antrag auf Kurzarbeitergeld das deutlich mildere Mittel. Auch Überstundenabbau oder die Reduzierung der Arbeitszeit mithilfe einer Änderungskündigung wären als deutlich milderes Mittel vor dem Ausspruch einer Kündigung durch den Arbeitgeber heranzuziehen.  

Es ist weiterhin Folgendes zu beachten:

Eine betriebsbedingte Kündigung setzt ein dringendes betriebliches Erfordernis voraus. Zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung muss daher feststehen, dass der Arbeitsplatz dauerhaft wegfällt. Die Folgen der Corona-Krise sind zum jetzigen Zeitpunkt aber noch nicht absehbar. Daher wird der Arbeitgeber auch einen dauerhaften Wegfall des Arbeitsplatzes nicht als Grund für die ausgesprochene Kündigung heranziehen können. Allein die derzeit vorherrschende, wirtschaftliche Unsicherheit wird eine Kündigung nicht rechtfertigen können.

Wenn die Auftragslage allerdings dauerhaft schlecht ist und der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht mehr beschäftigen kann, stellt sich die Rechtslage anders dar. In diesen Fällen kann eine betriebsbedingte Kündigung wirksam sein. 

In Fällen des Corona-Virus ist dies jedoch bislang zu bezweifeln, da hier bislang nur von vorübergehenden Folgen auszugehen ist. 

Hinzukommt, dass eine Kündigung immer das letzte Mittel sein soll. Demnach muss der Arbeitgeber versuchen, durch andere Mittel den Arbeitsplatz aufrecht zu erhalten. So kann er beispielsweise durch Kurzarbeit, Überstundenabbau oder Reduzierung der Arbeitszeit den Arbeitsplatz zumindest erhalten, jedoch in reduzierter Form. 

Auch bei einem möglichen Fall der betriebsbedingten Kündigung müssen folgende Punkte eingehalten werden: 

  • Der Betroffene kann an keiner anderen Stelle im Betrieb eingesetzt werden. 
  • Es muss eine korrekte Sozialauswahl durchgeführt werden. 

Das bedeutet, dass zunächst die Mitarbeiter entlassen werden müssen, die weniger schutzbedürftig sind. Meistens wird dort auf Alter, Schwerbehinderung, Unterhaltspflichten und Dauer der Betreibszugehöhrigkeit abgestellt.

Ich habe wegen Corona eine Kündigung erhalten – gibt es Fristen zu beachten?

Ja, auf jeden Fall! Das wichtigste vorab: Gesetzliche Regelungen sind durch die Corona-Krise nicht außer Kraft. Für den Fall einer Kündigung bleibt es daher nach aktuellem Stand dabei, dass innerhalb von drei Wochen ab Zugang der Kündigung Kündigungsschutzklage eingereicht werden muss, da ansonsten die Kündigung wirksam wird. Wenn Sie also am Dienstag, den 17.03.2020 eine Kündigung erhalten, müssen Sie bis spätestens Dienstag, den 07.04.2020 Kündigungsschutzklage beim zuständigen Arbeitsgericht eingereicht haben. Hieran ändert auch eine etwaige Quarantäne oder Ausgangssperre nichts. Dies kann zwar ein Grund für eine Wiedereinsetzung sein, gleichwohl sollte darauf geachtet werden, die 3-Wochen-Frist einzuhalten.

Sollten Sie – sowohl als Arbeitgeber, als auch als Arbeitnehmer – von den arbeitsrechtlichen Folgen des Corona-Virus betroffen sein, können Sie sich gerne mit uns in Verbindung setzen. Wir können Sie – unter Berücksichtigung der individuellen Umstände und der Natur des Arbeitsverhältnisses – beraten und insbesondere eine einvernehmliche Lösung mit Ihrem Arbeitnehmer bzw. Arbeitgeber anstreben. Wir sind bundesweit für Sie tätig!

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