Vorsicht bei betriebsbedingten Massenentlassungen: Auch verhaltens- und personenbedingte Kündigungen zählen mit!

Jan 11, 2022 | Arbeitsrecht

Plant ein Arbeitgeber einen größeren Personalabbau, besteht für die Kündigungen eine weitere Wirksamkeitsvoraussetzung: Es muss beim Erreichen bestimmter Schwellenwerte eine Massenentlassungsanzeige bei der Agentur für Arbeit erstattet werden. Dies gilt für alle Arten von ordentlichen Kündigungen.

Beabsichtigt der Arbeitgeber, innerhalb von 30 Kalendertagen Entlassungen jenseits der in § 17 Abs. 1 KSchG genannten Schwellenwerte (Massenentlassungen) vorzunehmen, ist er verpflichtet, zuvor bei der Arbeitsagentur eine Massenentlassungsanzeige zu erstatten, in welcher er vor allem die Zahl der beabsichtigten Entlassungen anzugeben hat. Vor der eigentlichen Massenentlassungsanzeige hat er zudem nach § 17 Abs. 2 KSchG den Betriebsrat zur Massenentlassung zu konsultieren und ihn zu diesem Zweck schriftlich insbesondere über die Gründe für die Entlassungen, die Zahl und die Berufsgruppen der beschäftigten und der zu entlassenden Arbeitnehmer, den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen, die vorgesehenen Kriterien für die Auswahl sowie schließlich über die für die Berechnung etwaiger Abfindungen vorgesehenen Kriterien zu unterrichten (Konsultationsverfahren). Als Entlassungen zählen dabei neben Arbeitgeberkündigungen auch arbeitgeberseitig veranlasste Aufhebungsverträge und Eigenkündigungen, mit denen Arbeitnehmer ihrer Kündigung zuvorkommen. Die Durchführung des Konsultationsverfahrens und die Erstattung der Massenentlassungsanzeige sind formelle Wirksamkeitsvoraussetzung für sämtliche Entlassungen.

In dem wohl bislang einmaligen Fall, welcher der Entscheidung des LAG Düsseldorf vom 15.10.2021 – 7 Sa 405/21 (Pressemitteilung) zugrunde lag, hatte der Arbeitgeber in einem Betrieb mit mehr als 500 Arbeitnehmern insgesamt 34 (!) krankheitsbedingte Kündigungen ausgesprochen. Obwohl er damit den Schwellenwert für eine Massenentlassung überschritt, hatte er keine Massenentlassungsanzeige erstattet.

Nach Ansicht des LAG Düsseldorf scheiterten die Kündigungen des Klägers bereits an der fehlenden Massenentlassungsanzeige. Nach dem Wortlaut, der Systematik und dem Sinn und Zweck von § 17 KSchG bestehe die Anzeigepflicht gegenüber der Arbeitsagentur auch bei krankheitsbedingten Massenentlassungen. Die ausdrückliche Anregung im Gesetzgebungsverfahren, personen- und verhaltensbedingte Entlassungen von der Anzeigepflicht auszunehmen, hat der Gesetzgeber nicht aufgegriffen. Daraus hat das LAG Düsseldorf abgeleitet, dass auch krankheitsbedingte Kündigungen – der Hauptanwendungsfall der personenbedingten Kündigung – bei Überschreitung der Schwellenwerte Massenentlassungen sein können.

Fazit

Sobald ein Arbeitgeber den Ausspruch mehrerer Kündigungen beabsichtigt, sollte er die Schwellenwerte des § 17 KSchG im Auge behalten. Bei einem Arbeitgeber, der mehr als 20 aber weniger als 60 Arbeitnehmer hat, muss bereits beim Ausspruch von fünf Kündigungen innerhalb eines Zeitraums von 30 Tagen eine Massenentlassungsanzeige erstattet werden. Im konkreten Fall der Arbeitgeberin mit mehr als 500 Arbeitnehmern war der Schwellenwert bei 30 Kündigungen binnen 30 Tagen erreicht.

Nunmehr hat das LAG Düsseldorf klargestellt, dass es unerheblich ist, aus welchem Grund die Kündigungen ausgesprochen werden. Darüber hinaus ist ferner zu beachten, dass auch der Abschluss eines Aufhebungsvertrags als „Entlassung“ im Sinne des § 17 KSchG gilt und daher auch die Abschlüsse von Aufhebungsverträgen eine Pflicht zur Erstattung einer Massenentlassungsanzeige auslösen können.

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